Am 2. und 3. Dezember 2014 fand in der Arena Berlin der Zukunftskongress „INKLUSION2025“ der Aktion Mensch statt.
Ich war auch dabei im Panel Arbeitsleben und Unternehmensentwicklung.
Und hier nun ein paar ganz persönliche Eindrücke und Gedanken:
Die Aktion Mensch hat ein Forum und einen Raum geschaffen, um sich über die Zukunft der Inklusion Gedanken zu machen. Und das ist gut. Und es war ermutigend zu hören und zu erleben, wenn Menschen mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Hintergründen ihre Ideen für die Zukunft der Inklusion teilten.
Dennoch: Inklusion, Teilhabe und echte Partizipation findet erst dann statt, wenn wirklich in allen Veranstaltungsbereichen Menschen mit Beeinträchtigungen gleichberechtigte Partner und Partnerinnen sind.
Und das funktioniert eben nicht, wenn
- Referentinnen und Referenten ohne Titel in der Panel-Vorstellung nicht namentlich erwähnt werden, während die Prof. und Dr. namentlich genannt werden,
- die Moderatorinnen und Moderatoren nur wenig im Umgang mit Menschen mit Behinderung geübt sind (Ein gehörloser Teilnehmer wurde z. B. aufgefordert, die Augen zu schließen, um sich etwas vorzustellen. „Mit geschlossenen Augen kann ich die Gebärdensprachdolmetscher nicht sehen“, reagierte er.)
- wenn auf dem Abschlusspodium – außer Raul Krauthausen – keine anderen behinderten Menschen zu Wort kommen.
Ich war außerdem überrascht über die doch nicht wenigen Bedenkenträger und Vertreter von Einrichtungen, die z. B. 300.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen für vertretbar hielten.
Beeindruckt hingegen hat mich Jonathan Kaufman, ein Mann mit Cerebralparese aus den USA, unter anderem Berater der Obama-Regierung zu Fragen von Vielfalt und Behinderung. Ein Satz ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: „Behinderung ist die Essenz von Diversity.“ Er sprach auch darüber, dass Menschen mit Behinderung die weltweit größte Minderheit sind und die einzige Minderheit, zu der jede/r zu jeder Zeit dazugehören kann.
In seiner gedanklichen Klarheit hat mich auch Udo Sierck beeindruckt, der Autor von „Budenzauber Inklusion“ und „Das Risiko, nicht behinderte Eltern zu bekommen“. Er lebt mit einer spastischen Lähmung und arbeitet als Dozent und Autor. Er sagte, dass für ihn beim Thema Inklusion vier Dinge wichtig seien:
- Ehrlichkeit, z. B. über den anhaltenden Ausbau von Einrichtungen
- Gerechtigkeit, z. B. zur Frage, ob das Geben und Nehmen die richtigen Bezugsgrößen im Zusammenleben seien
- Normalität, z. B. in der Frage, ob der Fitnesswahn nicht genau das Gegenteil von Normalität bewirkt
- Entscheidungsträger, z. B. ob behinderte Menschen auch tatsächlich Entscheidungsträger seien, auch bei der Aktion Mensch.
Ohne diese Voraussetzungen – keine wirkliche Inklusion.
Ich finde, das sind wichtige Gedanken in der Inklusionsdebatte und davon hätte ich mir bei einem Inklusionskongress mehr gewünscht.