Am vergangenen Samstag waren die Geschäftsführerin des Verbands für sozial-kulturelle Arbeit, Birgit Monteiro, und ich bei der 2. Disability & Mad Pride Parade in Berlin dabei.
Die Disability and Mad Pride Parade ist eine Mischung aus Party und Protest und hat z. B. in Großbritannien und in Nordamerika schon eine lange Tradition. In Deutschland ist der 14. Juli zusätzlich mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses 1933 verbunden.
Im Online-Handbuch Inklusion ist dazu folgendes nachzulesen:
„Erst 2007 wurden die Opfer von Zwangssterilisation und NS-„Euthanasie“-Morden als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde, nachdem es bisher in der Bundesrepublik lediglich außer Kraft gesetzt worden war, abgeschafft. Eine gesetzliche Grundlage zur materiellen Entschädigung der Opfer gibt es allerdings auch heute nicht, sodass sie weiterhin nur einen kleinen Betrag nach den AKG-Härterichtlinien erhalten können.“
Vor diesem Hintergrund hat Theresia Degener, eine der Begründerinnen der emanzipatorischen Behindertenrechtsbewegung in Deutschland das Anliegen der Pride Parade mal so beschrieben:
„1. Soll Behinderung neu und anders gedacht werden.
Vom medizinischen Modell von Behinderung, nachdem wir Behinderte vor allem als medizinische Probleme, therapeutische Herausforderungen, leidende Wesen und Rehabilitationsobjekte gelten, gilt Abschied zu nehmen. Stattdessen wollen wir das Menschenrechtsmodell von Behinderung in den Köpfen der Menschen verankern. Nach dem Menschenrechtsmodell von Behinderung sind wir vor allem und zuerst Menschen, die eine unantastbare Würde und unveräußerliche Menschenrechte haben. Erst die Verweigerung dieser Menschenrechte macht unsere gesundheitlichen Abweichungen zu einem Problem, macht uns zu ANDEREN zu den sogenannten AUCH-Menschen. Erst die Verweigerung von Menschenrechten macht uns Behinderte zu Menschen mit besonderen Bedürfnissen…
2. Sollen Disability Pride Parades uns Behinderten helfen, unsere eigenen Minderwertigkeitsgefühle zu verlieren. Indem wir uns auf der Straße in einer Parade zeigen und gemeinsam tanzen, wollen wir unsere verinnerlichte Scham über unser Anderssein, über unsere Beeinträchtigungen, über unsere Schräg- und Verrücktheiten öffentlich ablegen…
… Eine deutsche Kultur, die auf Behinderung immer wieder nur als Antwort „Heilen oder Vernichten“ kennt, hinterlässt Spuren in jedem und jeder einzelnen Behinderten. Aber so wie wir gelernt haben, uns als minderwertig zu fühlen und uns für unsere Andersartigkeit zu schämen, so können wir das Erlernte auch wieder verlernen. Die Disability & Mad Pride Parade ist eine großartige Gelegenheit dazu. Wir sind hier, weil wir stolz sind auf uns und weil wir es wert sind, gesehen zu werden. Wir sind hier, weil wir uns wertschätzen und den Respekt vor unserer Würde einfordern. Wir sind hier, weil wir mutig sind und laut.
3. Das ist dann auch zugleich das dritte Ziel von Disability Pride Parades. Disability Mad and Pride Parades sind dazu da unsere Andersartigkeit zu zelebrieren. So wie es in Artikel 3 der Behindertenrechtskonvention heißt, feiern wir uns heute als Teil der menschlichen Vielfalt. Wir sind heute auch auf der Straße weil wir viel zu bieten haben: wir sind behindert und verrückt, wir sind aber auch lesbisch, bi oder straight, wir sind alt und jung, wir sind weiß oder people of color, wir sind Migrant_innen und Nichteinwander_innen, wir sind Frauen, Männer und Intersexuelle und Transgender, wir sind vor allem hier und heute bunt und frech.“